// 14. Januar 2021 //
Tote Tiere, verbrannte Wälder, grüne Skigebiete, Strände voller Plastik – Selten war Urlaubsreisenden bewusster, dass der Klimawandel in ihren Lieblingsdestinationen Einzug gehalten hat – und dass sie sich durch ihr Konsum- und Reiseverhalten mitschuldig daran gemacht haben könnten: Laut „Sustainable Travel Report 2021“ finden es 83 Prozent der potenziellen Gäste weltweit deshalb wichtig, wohin die Reise geht. 61 Prozent befürworten nachhaltiges Reisen und bereits 38 Prozent sind bereit, mehr Geld für klimafreundliche bzw. nachhaltige Urlaubsangebote auszugeben.
„Wir können den Wind nicht ändern“, eröffnete Gudrun Reckerziegel, Koordinatorin für Kommunale Entwicklungspolitik des Landkreises Regen, im Rahmen ihres zusammen mit dem „Sekretariat für grenzüberschreitendes Netzwerkmanagement im Themenbereich Kultur und Tourismus“ organisierten Online-Vortrages. Es sei hingegen möglich, die Segel anders setzen. Ob und wie sich dieses aristotelische Wort umsetzen lasse, zeigte sie 30 Touristikerinnen und Touristikern des bayerisch-böhmische Grenzraumes am 14. Januar 2022.
Geprägt im 18. Jahrhundert durch den deutschen Kameralisten Carl von Carlowitz versteht „Nachhaltigkeit“ den Einklang von ökonomischen, ökologischen und sozialen Faktoren. „Es geht bei bei dem Begriff also schon per definitionem um mehr als nur Umweltschutz“, konstatierte Reckerziegel. Eindrucksvoll zeichnet die Agenda 2030 der Vereinten Nationen diesem Umstand Rechnung, indem 17 ganz unterschiedlich gelagerte Nachhaltigkeitsziele festgesetzt wurden. Als im Bereich des Tourismus relevant skizzierte Reckerziegel: „1 Keine Armut“, „10 Weniger Ungleichheit“, „7 Bezahlbare und saubere Energie“, „9 Industrie, Innovation und Infrastruktur“, „12 Nachhaltiger Konsum und Produktion“ sowie „11 Nachhaltige Städte und Gemeinden“.
Gleich mehrere dieser Punkte berührt das Konzept eines „Sanften Tourismus“, welches moderates Reiseaufkommen in relativ unberührten Gebiete unter Schonung von Flora, Fauna und der Bevölkerung vor Ort vorsieht. Was nach einem Katalog wenig attraktiver Regeln und Verbote klingt, könne man auch umkehren und als direkte, gut zu vermarktende Aufforderung verstehen, Natur möglichst nah und intensiv zu erleben, sich der Kultur des jeweiligen Landes anzupassen und dessen Eigentümlichkeiten zu genießen. Im Bayerischen Wald und im Šumava lässt sich deshalb mit gelebtem Brauchtum und der Liebe zu den eigenen Ressourcen wunderbar werben – mit viel Luft und Innovationsgeist nach oben: Dem Ziel der Klimaneutralität beispielsweise, der Konzentration auf regionale Produkte, Bergtouren anstelle von Schneekanonen und Spektakel, digitale Besucherlenkung oder Car-Sharing-Ideen. Dem gegenüber stellte Reckerziegel Tourismusszenarien 2040 mit Hotspot-Reisen und Overtourism.
Tourismus – ob in kommunaler, regionaler, nationaler oder internationaler Skalierung – sei grundsätzlich als Querschnittsaufgabe mit ganz verschiedenen Handlungsfeldern zu sehen. „Was nicht bedeutet“, erläuterte Reckerziegel, „jedes der 17 SDGs anpacken zu müssen“. Viel wichtiger sei es, sich im Vorfeld die richtigen Fragen zu stellen: „In welchen Bereichen sind wir bereits aktiv? Was machen wir gut, was nicht? Welche Chancen und Risiken tun sich auf? Was erwarten unsere Gäste? Worauf müssen wir achten? Wer ist strukturell für das Thema Nachhaltigkeit zuständig? Welche Antworten brauchen wir, um kurz-, mittel- und langfristig erfolgreich zu sein?“ Der Analyse des Ist-Zustandes folge dann optimalerweise eine Nachhaltigkeitsstrategie bzw. ein Konzept, das man in Angriff nehmen und in fest definierten Zeiträumen rekapitulieren und evaluieren könne. Gelungene Beispiele, Ideen und Kompetenzen werden in diesem Bereich von der Deutschen Zentrale für Tourismus im Rahmen ihrer Feel-Good-Kampagne vermittelt und vermarktet. Überhaupt riet Reckerziegel dazu, „über Gutes zu sprechen“, respektive Werbung für die eigenen Bemühungen zu machen – ob via Presse, im Rahmen von Printmaterial oder auf Nachhaltigkeitsportalen, im Alleingang (oder besser noch) im Schulterschluss mit anderen aus der Branchenteilnehmerinnen und -teilnehmern. Laut einer aktuellen Studio von IPK International glauben 42 Prozent der Befragten, dass mehr und bessere Informationen die Voraussetzung sei, um nachhaltige Reisen zu fördern. „Wichtig ist dabei nur“, ergänzte Reckerziegel, „dass sie authentisch bleiben!“ Als touristische Umweltsiegel, um die man sich bewerben könne, nannte sie beispielhaft „Travellife“, „TourCert“, „GreenSign“, „Green Key“, „Viabono“ und im Bereich der CO2-Kompensation „Plan Vivo Foundation“ sowie „Prima Klima“. Bei möglichen EU-Förderprojekten handelt es sich um „European Tourism Going Green (ETGG) 2030“ sowie das Sonderprogramm „Tourismus in Bayern – Fit für die Zukunft“ des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie. Mit einer kurzen Fragerunde schlossen Reckerziegel und Organisatorin Elisabeth Unnasch den gelungnen Vortrag ab.