Nach den Themen Kunst, Kulinarik und Musik bildete ein literarisches „Kamingespräch“den krönenden Abschluss des grenzüberschreitenden Kultur- und Kulinariknovembers im ARBERLAND.
Untermalt von Zitherklänge der Waldler Stubenmusi brachte Heinz Müller, Wirt der urigen Schmugglerhütte in Bayerisch Eisenstein, traditionelle Gerichte der Grenzregion auf den Tisch. Dabei knisterte das virtuelle Holz im Kamin. Mit der freischaffenden Journalistin und Autorin Ludmila Rakusan und dem Oberpfälzer Autor Bernhard Setzwein erwarteten die 25 Besucher:innen am Samstag „Literarische Grenzgänge“ zum Schmunzeln und Nachdenken.
Setzwein ist geborener Münchner und hat in seiner Heimatstadt Germanistik und Volkskunde studiert. 1990 zog es ihn an die bayerisch-böhmische Grenze nach Waldmünchen. Als Schriftsteller, sagt er, habe man die Aufgabe, seine Zeit abzubilden. Und so geriet nach dem Fall des Eisernen Vorhangs immer mehr der alte Kulturraum zwischen Donau und Moldau in den Mittelpunkt seines Schaffens. „Andere Leute haben ihre Weltanschauung, ich meine Grenzanschauung“, erklärt er doppelbödig. Der Blick aus seinem Arbeitszimmer gibt den Grenzstreifen frei. „Grenzanschauung“, meint er weiter, „hätte aber auch etwas damit zu tun, das Fremde kennenzulernen.“ Über den Tellerland zu blicken und sich für andere Biografien zu interessieren – beispielsweise dafür, wie die Menschen in Ostblockverhältnissen aufwuchsen – könne für einen Autor und dessen Themenkreis nur von Vorteil sein. Sein Programm für diesen Abend konzentrierte sich vor allem auf freundschaftliche Grenzerfahrungen und Reisen nach Tschechien, Polen und Ungarn. Dabei las er aus zwei Bänden eines Tagebuch- und Notaten-Projektes, das bis 1997 zurückreicht – dem „Gelben“ und dem „Blauen Tagwerk“.
Rakusan wiederum gab dem Abend mit ihren Erzählungen eher eine melancholische Färbung. Sie wünschte sich, ähnlich wie es Deutschland nach dem Dritten Reich geschah, eine rigorose Aufklärung und Auseinandersetzung mit der Vertreibung der Sudetendeutschen, um die „kollektive Schuld“ zu verarbeiten und sich neu für die deutschen Nachbarn und ein vereintes Europa öffnen zu können. Rakusan ist eine Grenzgängerin in vielerlei Hinsicht: Die gebürtige Budweiserin lebt aktuell in Rinchnach. Nach der sowjetischen Besatzung der Tschechoslowakei 1968 ging sie ins Exil und arbeitete bei „Radio Free Europe“ in München. Seit 1989 lebt sie abwechselnd in Prag und im Bayerischen Wald und arbeitet mit den Medien zu beiden Seite der Grenze zusammen. Nach der Lesung standen Setzwein und Rakusan dann auch noch für eine Diskussionsrunde zur Verfügung – durchaus auch mit politischen Anmerkungen zu dieser so krisengebeutelten Zeit -, um letztlich die Frage zu beantworten, wie das Zusammenwachsen in diesem gemeinsam geteilten Lebensraum (wieder) gelingen kann.